Rissklettern im Valle del Orco, Tag 1: Sergent

Caporal, Sergent,... An welchen unter Klettermenschen bekannten Ort erinnern diese Felsen? Nicht nur die Namen der Felsen verweisen auf das Granit-, und vor allem, Rissklettermekka des Yosemite Valley, sondern (zumindest angeblich, keine*r von uns war bereits dort) auch die Kletterei.
Nach meinem reingequetschten Trip in die Mieminger Kette geht es für mich, zwei Tage später (über Vaferdeau) in das Valle del Orco im Piemont. Direkt südlich am beziehungsweise im Nationalpark Gran Paradiso gelegen, ist das Tal eines DER Riss- und Tradklettergebiete Europas.
Nach Flos Einladung vor ein paar Monaten war ich mir, gelinde gesagt, unsicher, ob ich überhaupt fit genug bin für die schönen Linien vor Ort und es mit meinen (bis dato nur geplantem) einem freigenommenen Monat im September überhaupt nochmal hinhaut für einen einwöchigen Trip dorthin im Oktober. Aber irgendwie hab' ich mich dann doch zu motiviert gesehen und zugesagt. Also fahren wir am Montag, nach einem kurzen, wetterbedingten Abstecher ins Jura, weiter gen Süden. 
Dort angekommen beisse ich mir am ersten Abend in der Fessura Kosterlitz (der Physik-Nobelpreisträger von 2018 beging den Riss 1970 als erster) ordentlich die Zähne aus, zu unausgefeilt ist meine Risstechnik noch. 

der erste Zug der "Fessura Kosterlitz" will mir einfach nicht gelingen

Am nächsten, ersten (kompletten) Tag im Tal gehen wir zum direkt gegenüber unseres Parkplatzes liegenden Sektor am Sergent. Als Aufwärmroute geht's für Flo und mich in die gut nasse "Mary Poppins", 5c. Abwechslungsreiche Moves an einem diagonal von rechts utnen nach links oben verlaufenden Riss. Etwas weiter links ist die 'Il Signore Nero', 6a+. Vermutlich die abwechslungsreichste Risslänge unseres Aufenthalts. Nach einem Auftakt in einer Verschneidung mit Handriss geht's mit diversen Moves gen Top, bevor nochmal ein etwas unangenehmer Layback (oder Offwidth) aufwartet. Leider kein Flash, ich bekomme den Ausstieg nicht auf Anhieb hin.

schaut von unten nach recht eintöniger Verschneidung aus, entpuppt sich aber als äußerst abwechslungsreich: "Il Signore Nero"

Im zentralen Sektor gibt es die Routen Paperoga, 5c (über eine sich nach rechts entwickelnde Verschneidung über Untergriffe aussteigen), die den Ausstieg mit der 'Situazione Insostenible', ebenfalls 5c, teilt. Letztgenannte lässt sich im Gegensatz nur mit Micro-Gear absichern, was die Sache für mich nochmal spannend macht. Aber die Mikrokeile und -Cams bleiben alle auch beim Ablassen drin, mein Vertrauen in meine eigenen Legekünste mit Microgear wird dadurch besser. 
Einer der absoluten Klassiker im Sektor ist die 'Incastromania', 6a. Eine kurze Verschneidung führt zu einem Splitter Handriss, der in ein paar Wölbungen nach oben zieht und Cams nur so verschlingt, sollte mensch unsicher sein. Machen!

Die "Paperoga" führt nach der Verschneidung unter dem Dach nach rechts

Im rechten Sektor steigen Flo und ich noch in die ersten zwei Seillängen der 'Locatelli' ein. Die erste Länge ist für 5c recht trickreich, die zweite mit 4c purer Genuss. Die komplette Route werden wir am letzten Tag noch klettern. 
Für eine der Kinglines des Sektors, der "Fessura della Disparazione", fehlt uns allerdings noch ein klein wenig vielgroßes Material, sonst ist die 6b auf 30m kaum absicherbar (Offwidth). 

Für den ersten Tag bereits einige Eindrücke und klassische Risse, erstmal genug. Denkt sich auch das etwas unsichere Wetter.

Valle del Orco, Sektor Sergent, Settore Centrale und Settore destra.
Fazit:  Vermutlich der meistbesuchte Fels im Tal, am Wochenende ist vor allem in den leichteren Klassikern Platzkarten ziehen angesagt. Kein Wunder: super lohnend und mit 15min Zustieg auch gut zu erreichen. Dank Südlage ist vor allem der zentrale Sektor auch bei wechselhaftem Wetter meist schnell trocken.

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