Vaferdeau: "Joe Brown", 5c+ und "Sensationelle", 6b+
Vaferdau im Schweizer Jura ist eigentlich bekannt für seine vielen Sportklettermöglichkeiten. Die breite Wand hat auf mehreren Sektoren mehrere hundert Routen. In einem Sektor ganz zur rechten gibt es jedoch zwei längere Routen. Beide sind gut gebohrt, eignen sich aber dank des sehr klassischen Charakters fürs tradionelle bzw. cleane Klettern hervorragend. 'Dank' der schlechten Vorhersage für's eigentlich geplante Valle del Orco fahren wir erst am Sonntag ins Jura.
Jura-Herbst-Stimmung |
Am Einstieg steht bereits eine Seilschaft, die in der ersten Länge etwas Schwierigkeiten hat und so fällt die Entscheidung, die 'Torticolis' (5b) zu klettern, recht schnell. Nicht zuletzt, da die Route sich perfekt eignet, um Flos neuen 6er-Camalot einzuweihen (und ich auf klassische Rampferei und solche Sachen stehe). So stapfe ich mit großem Material behängt an den Einstieg (Haken gibt's zwar, aber die Verschneidung lässt sich bis auf eine kurze, flache und plattige leichte Passage sehr gut selbst absichern). Mit Chicken Wings (Ellbogen anwinkeln und in den Riss zeigend, nicht dem Essen!) und Kaminschrubben ist der Stand auch fix erreicht und wir seilen ab. Herrliche Kletterei!
In der Joe Brown beginnt die erste Länge bereits mit 5c+, ein technischer Riss möchte geklettert werden. Auf einen Turm führt eine Verschneidung, oben angekommen erreicht mensch in einem leicht überhängenden Kamin den ersten (bzw. zweiten) Stand. Den richtet Flo schön an mobilem Material ein, geht auch super dort. Vorstiegswechsel, Cora ist an der Reihe.
Flo in der ersten Länge der Joe Brown |
Kamingeschrubbe kurz vor dem ersten Stand |
Seillänge zwei führt ebenfalls in Verschneidungskletterei aufwärts, anfangs im Quergang sind die Placements aber doch recht marginal und fiddlig. In der Verschneidung wäre größeres Material auch gut, hatten wir aber nicht. Mittendrin gab's daher doch 'nen nicht unbeachtlichen Runout für Cora, den sie aber grundsolide wegsteigt.
die Verschneidung der zweiten Seillänge von oben |
Die letzte Seillänge zum Gipfel übernehme ich, im Gegensatz zu den letzten zwei ist die aber kurz und ohne Schwierigkeiten. Über den Wanderweg geht's runter zu den Rucksäcken. Dort angekommen sehen wir, dass wir eventuell noch die 'Sensationelle', 6b+, klettern könnten. Also schnell einen Umkehrzeitpunkt festlegen und rein geht's.
Da die Zeit begrenzt ist, nutzen wir die Haken und lassen unser Schwermetall unten. Aber auch hier würde sich die komplette Route, mit Ausnahme der letzten Seillänge, perfekt mobil absichern lassen. Mit einer Umgehung der Platte in einem (noch?) verwachsenen Kamin eventuell auch die letzte Länge.
Die erste Seillänge der Sensationelle bietet für 5a bereits herrliche Kletterei durch einen überhängenden Kamin, an dessen Ende exponiert um eine Kante ausgestiegen werden darf. Wer sich hier schwertut, muss sich vermutlich nicht dafür schämen, die Kletterei ist besonders (schön, aber nicht so elegant). War 5a schon immer so imposant?
der überhängende Kamin der ersten Länge: sensationell! Flo: "Hendrik, lächle mal!" |
Die zweite Seillänge, 6a, nimmt Cora in Angriff. Der Beginn ist kurz etwas tricky, mit wenigen kleinen Tritten. Danach aber führt die Linie in einer perfekten 90°-Verschneidung mit Tropflochfels auf der rechten Seite gen Stand unter einem ausladenden Dach. Wir sind gut in der Zeit und Flo raunt mir noch zu, er fürchte bereits insgeheim, er müsse heute wohl doch noch in die Schlüssellänge.
Diese, dritte, Seillänge nimmt er dann im schönen Abendrot in Angriff, verschwindet ums Eck und kommt onsight durch. Ohne Sichtkontakt hören wir nur Jauchzen von oben und "geniale Klemmer", "gar nicht anstrengend wie im Topo angegeben" und ähnliches. Vor allem der erste Ausruf ist, nach einem längerem Risskletterurlaub von Flo, bereits ein Gütesiegel par excellence. Für mich reichts leider nur mit einmal hängen, ich habe die Füße falschrum im kleinen möglichen Bereich sortiert. Aber Flo hatte Recht, die Klemmer gehören zu den besten, die ich (nicht nur im Kalk) bisher klettern durfte und es kommt Flow auf, nicht nur bei Flo.
Die letzte Seillänge führt über eine Kante nach rechts in eine Platte, die sich aber super auflöst. Auch ausgesetzt, aber weniger als in den letzten Längen, und in bestem Fels klettert es sich hier recht genüsslich. Im letzten Licht erreichen wir alle drei das Top und rennen (leider) in Kletterschuhen (wir hatten nicht gedacht/geplant, es durchzuschaffen mit etwas über einer guten Stunde Licht und hatten eigentlich vor, abzuseilen) zu den Rucksäcken. Ein gelungener erster Tag mit zwei schönen Schmankerln!
Vaferdeau, Joe Brown
Schwierigkeit: 5c+
Absicherung: ca. E1-2. Wer unsicher ist, kann fast überall dazulegen.
Erstbegehung: drei Geschwister Grimm, 1976
Fazit: Geniale Route, perfekt abzusichern. Klassiker! Die Geschwister Grimm können wohl doch mehr als nur Märchen.
Vaferdeau, La Sensationelle
Schwierigkeit: 6b+
Absicherung: ca. E1-2. Auch hier gilt, gut dazulegen geht überall (außer in der letzten Seillänge, 6a)
Erstbegehung: Christe, Weber 1962
Fazit: Wer etwas Übung in Rissen hat, nicht von der 6b+ abschrecken lassen! Über alle Längen hinweg imposante Kletterei, die sich einen äußerst logischen Weg durch die steileren Teile der Wand sucht. Rot- (oder Grünpunkt) steht bei mir noch aus, eventuell ja mit Variante der letzten Seillänge?
Kommentare
Kommentar veröffentlichen