Wissenschaftliches Arbeiten in Zeiten der Zensur
Vor einer Woche hatte ich im Zuge eines Seminars über Donna Haraway ein Referat über Einflüsse auf Haraway von Karen Barad. Barad ist Nachfolgeperson von Haraway in der Professur für Feministische Studien, Philosophie und Geistesgeschichte an der University of California in Santa Cruz.
Wie in meinem Intro eventuell schon aufgefallen sein könnte, nutzt Barad nicht sie/ihr-Pronomen, sondern im Englischen they/them. Während meiner Recherche, in der ich auf Wikipedia verzichten wollte, fand ich auf der Seite der UC Santa Cruz allerdings nicht einmal den Titel zu Barads Professur, nur die Affiliationen den Instituten:![]() |
Die Kurzübersicht auf Karen Barads Seite. Quelle: |
https://philosophy.ucsc.edu/faculty/index.php?uid=kbarad, aufgerufen am 25.05.2025
Wie zu sehen ist, ist der Titel der Professur Barads nicht einmal genannt. Auch die Aufzählung der Forschungsinteressen in Barads Werken ist völlig frei von Wörtern wie Feminism oder Feminist:
"Science studies, multispecies studies, science & justice, physics, nuclear studies, continental philosophy, epistemology, ontology, ethics, politics, philosophy of physics." (ebd.)
Barads Biographie auf der gleichen Seite der Universität ist ebenso frei von Begriffen, die auf Feminismus verweisen:
Ph.D., Physics, SUNY Stony Brook
Karen Barad is Distinguished Professor of History of Consciousness at the University of California at Santa Cruz, with an affiliation in Philosophy. Barad's Ph.D. is in theoretical particle physics and quantum field theory. Barad held a tenured appointment in a physics department before moving into more interdisciplinary spaces. Barad is the author of Meeting the Universe Halfway: Quantum Physics and the Entanglement of Matter and Meaning (Duke University Press, 2007) and numerous articles in the fields of physics, philosophy, science studies, and nuclear studies. Barad's research has been supported by the National Science Foundation, the Ford Foundation, the Hughes Foundation, the Irvine Foundation, the Mellon Foundation, and the National Endowment for the Humanities. Barad is a founding member of the Science & Justice Research Center and served as the Director of the Science & Justice Graduate Training Program at UCSC. Barad is the recipient of an honorary doctorate from Gothenburg University, a Fulbright fellowship, and the Kresge College Teaching Award, among other honors. (ebd.)
Auf der Seite zu Karen Barads Hochschularbeit ist ein einziges Mal der Begriff Feminist zu finden: In der Aufzählung ausgewählter Publikationen: “Re(con)figuring Space, Time, and Matter,” in Feminist Locations: Global and Local, Theory and Practice, edited by Marianne DeKoven. New Brunswick: Rutgers U. Press, 2001.
Das alles ist Ergebnis der Zensur in den USA, die mit der Auflösung sämtlicher DEI-Programme und dem Kampf gegen die Wissenschaft durch Donald Trump einhergehen.
Die Folgen
Die Folgen für die Wissenschaft sind drastisch: Forscher*innen werden gekündigt oder anderweitig unter Druck gesetzt, Forschungsgelder werden gestrichen, aber auch offizielle Quellen wie die Hochschulseite zu Karen Barad werden umgeschrieben und so zensiert. Im Abschnitt zum Gesamtwerk Barads ist kein Wort dazu zu finden, dass Barad sich in feministischer Tradition bewegt.
Für das wissenschaftliche Arbeiten und die Recherche bedeutet das, dass ursprünglich stark valide, moderne Quellen wie eben eine Hochschulseite mit Quellenkritik angegangen werden müssen. Dies stellt ein Novum für viele wissenschaftliche Bereiche dar, die weniger mit Literatur und Quellen arbeiten. Eine Vorgehensweise, die sich erst etablieren muss.
Es bleibt die Frage offen: Wie wird Trump die nächsten Jahre weiter Einfluss auf die Wissenschaft nehmen? Können wir wissenschaftlichen Quellen aus den USA überhaupt noch trauen oder wird die Forschung so stark ideologisch gesteuert, dass kaum mehr mit wirklich validen Quellen und Ergebnissen gerechnet werden kann?
All das wird sicb über die kommenden Montate und Jahre weiter zeigen. Einer von Trumps neuesten Vorstößen, ausländische Studierende von der Eliteuniversität Harvard auszuschließen, lassen aber nichts Gutes ahnen.
Ich sehe das alles mit Entsetzen. Wie gut hatten wir es, die wir bei Ute Guzzoni studieren durften.
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