Madrisa - Falsche Unvollendete 200m WI3 M5 R
Oder: Falsch unvollendet
Nach unserem letztjährigen Tag im Tschübel-Gully an der Madrisa sind Jakob und ich fast auf den Tag genau ein Jahr später wieder vor Ort, diesmal mit dem Plan, die neue Route Lifeline zu klettern. In der tief eingeschnittenen Schlucht ist allerdings kein Eis, nur viel steil gestapelter, loser Schnee. Also Alternativplan: Eine der von Marco Wasina erstbegangenen Routen weiter westlich des Tschübel.
Wir stapfen von unserem Skidepot, welches zwischen der tief eingeschnittenen Schlucht der Lifeline und der Unvollendeten liegt zum Einstieg. Der ist aber irgendwie heikel, wenig toter Schnee auf Platten. Ehe wir an eine geeignete Stelle für einen Stand kommen, entscheiden wir uns, weiter links nach einer entspannteren Möglichkeit zu suchen. Eine Rinne weiter werden wir fündig, hier führt flacheres Eis in die Höhe. Die ersten Meter allerdings noch schneedurchsetzt und mit Lufteinschlüssen. Da es hier auch noch flach ist und sowieso keine Schrauben eingesetzt werden könnten, lassen wir das Seil weg und peilen das tiefblaue Eis weiter oben an, um dort Stand zu beziehen und zu sichern. Ich steige voran und beginne, am blauen Eisschild Schrauben zu drehen. Als wir Stand bezogen haben, fällt uns ein Bohrhaken hier auf dem schwach ausgeprägten Band direkt rechts neben dem Eis auf: Also lieber dorthin? Nein, jetzt bleiben wir hier, zumal die Kletterei nach rechts tendiert und somit der Bohrhakenstand auch vom Eisschlag betroffen wäre.Der Verlauf unserer Kletterei, die Eislinie senkrecht unter Stand 2/3 ist die tatsächliche "Unvollendete". |
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Das schneedurchsetzte Eis zu Beginn, mit dem blauen Kompakteis über mir. Photo: Jakob. |
Jakob steigt diese Länge vor, das Eis ist ordentlich spröde, weiter oben kommt auch ordentlich loser Schnee von ihm runter. Der ist aber wie Eis, grobkristallig und hart. Davon werden wir aber im Laufe der Zeit noch mehr sehen...
Nach kurzer Zeit darf ich nachkommen, diese Eislänge ist wirklich genüsslich und im Bereich WI3 anzusiedeln.
Die nächste Länge schaut hingegen etwas unklar aus: die links von uns, weiter nach rechts oben ziehende Verschneidung scheint logisch, aber wartet mit glattem Fels mit wenig Struktur bzw. Brösel auf, aber es steckt ein paar Meter weiter oben ein Normalhaken. Weiter rechts oben steckt irgendwo in den Platten ein Bohrhaken. Ich entscheide mich, zuerst einmal den Normalhaken anzuklettern. Der ist aber sauhoch, mit der kleinen Menge an Schnee kaum erreichbar. Vermutlich bei wesentlcih besseren Schneebedingungen geschlagen. Die Fortsetzung des Risses nach unten erlaubt das Platzieren eines Peckers, in den ich mein linkes Seil einhänge. Eine feine Spur von Leisten führt nach rechts ins Plattengelände, irgendwann zum Bohrhaken. Schaut auch kletterbar aus, also hin da. Schnell wird das Gelände anspruchsvoll: Kaum vorhandene Hooks und kleine abschüssige Leisten wollen fein säuberlich bedient werden, und das alles gute zehn Meter weg vom Pecker. Kurz vor dem Bohrhaken werden die Strukturen größer und besser, ich hänge ihn ein. Beim Weiterklettern geht es zuerst gemächlich mit guten Strukturen voran, bald aber wieder in feines leistiges Gelände, in dem kleinste Moospolster für die Eisgeräte zum Verschieben beklettert werden dürfen. Witzige Kletterei, aber auch wieder hoch obligatorisch, hier hat es absolut keine Risse für Normalhaken oder sogar Cams, die Moospolster sind viel zu klein für Spectres. Bald legt sich das Gelände zurück und ein Band beherbergt den zweiten Bohrhaken. Den eingehängt, geht es wieder ein paar Meter einfacher weiter, bis das Gelände aufsteilt und wieder anspruchsvoll wird. Auch hier wieder: entweder keine Risse oder Bruch. Und wieder ist Klettern weit überm Haken angesagt. Das nächste Schneefeld zieht leicht nach rechts oben, in der links begrenzenden Wand lässt sich ein Cam als Fortschritsspeicher legen - hier im Schneefeld braucht es die Sicherung weniger als anderswo. Am Ende des Schneefelds ist ein kurzer Quergang nach rechts angesagt, den ich diesmal aber mit einem Cam absichern kann und der dank der breiten Bänder auch nicht schwierig ist. Nun befinde ich mich im Schneefeld über dem großen Eisfall, der die ganze Zeit rechts neben mir tiefblau lockte. Etwas weiter oben sehe ich Eis, das für einen Stand herhalten könnte. Kurz davor, nach ungefähr 50m, findet sich jedoch ein eingerichteter Stand, ich hole Jakob nach.
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Hier geht's los in L2! Photo: Jakob. |
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Das Gelände hier ist nicht so flach, wie es den Anschein hat: Zu meiner Position hier waren einige Meter Kletterei gefordert. Photo: Jakob. |
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Jakob beim Ausstieg aus dem Quergang ins Schneefeld am Ende von L2. |
Seillänge drei führt über fünf flache Eismeter über Grasgelände in ein Schneefeld, das über steilere gras- und moosdurchsetzte Felsen verlassen wird. Jakob sichert am Stand nach, die im Topo angekündigten 90° sucht mensch hier allerdings vergeblich.
Die letzte Seillänge bietet erneut 50m und entspannte Steigerei an im unteren Teil festem Fels und Moos, weiter oben lässt die Felsqualität aber immer weiter nach. Die Sache ist aber ganz nett zu klettern, auch der ein oder andere Riss ohne eine bewegliche Seite für die Cams lässt sich finden. Am Top ist ein Stand an drei Normalhaken eingerichtet. Wir schauen uns das Gelände überhalb an, seilen dann aber ab. Wir haben nicht das Material für einen ernsthaften Versuch einer Erweiterung.
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Spaßige Kraxelei in L4. Photo: Jakob. |
Mehr oder (eher) weniger flugs abgefahren (die schwierigste Aktion des heutigen Tages) und gutes Essen im Warmen zubereitet, denn morgen soll der Rucksack noch etwas schwerer als heute werden...
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