Drei Worte, eine Geschichte II: Schrecken der Gräben

 Ein zweiter Versuch, eine Kurzgeschichte mit drei Worten als Start zu schreiben, kamen mit den Begriffen Ohrläppchen, Schützengraben, staunen die folgende Geschichte zustande:

Schrecken der Gräben

"Boom!" Ein lauter Knall reißt ihn aus seinen Gedanken zurück in die schreckliche Realität. Eine Realität, die er in den letzten Wochen und Monaten nur aus dem Schlamm der Schützengräben wahrgenommen hatte, den Blick maximal ein paar Zentimeter über dem Boden, um so wenig Zielfläche wie möglich zu bieten. Eine Realität, die sich nicht mehr von einem Alptraum unterscheiden ließ. Er staunte: So schnell konnte die Bedeutung des Wortes "schrecklich" in andere Dimensionen schießen, allerdings nicht wie sonst im Alptraum, sondern in der Realität. Komische Welt. Schreckliche Welt. Die Wochen des dauernden Kugelhagels über und seitlich ihrer Stellung ließ seine Kameraden und ihn inzwischen kalt. Die Kugeln, die in zuvor undenkbarer Frequenz verschossen wurden, von beiden Seiten. Aber der Schrecken der Kugeln war klein im Vergleich zu der Gefahr, die von lauten Explosionen er Panzerfäuste oder dem langsam wabernden Senfgasgranaten, die nahezu unsichtbar verletzten. Etliche seiner Kameraden hatten allein in der letzten Woche Schrapnells abbekommen. Wer kam nur auf die Idee, nicht nur eine Explosion töten zu lassen, sondern auch die Reste der Granate? Effizient war es ja, das stimmte. Aber eine solche Grausamkeit zwischen Menschen war doch nicht wirklich vorstellbar. Er legt den Gewehrlauf auf die Kante der Grabenbefestigung und wartet. In einem Moment, in der Beschuss nachzulassen schien, hebt er seinem Kopf leicht und zielt über Kimme und Korn. Was er sieht, verschlägt ihm die Sprache: Ein Koloss aus Stahl rollt in der Entfernung auf die Stellung zu. Das Quietschen der Ketten wird langsam, aber stetig lauter. Das Rohr des Panzers scheint seine Stellung ins Visier zu nehmen, schnell nimmt er das Gewehr herunter und duckt sich wieder. Ein lauter Knall ertönt. Könnte der vom Stahlkoloss kommen? Die Antwort lässt nicht auf sich warten, keine 20 Meter neben ihm schlägt ein schweres Geschoss ein, vier seiner Kamerade werden in die Luft geschleudert, sieben komplett zerfetzt. Neben den überall ertönenden Panikschreien seiner Kameraden hört er ein unscheinbares Zischen, kaum hörbar. Ein stechender Schmerz erfüllt seine rechte Kopfhälfte. 
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Langsam öffnet er die Augen. Ein lautes Quietschen ist zu hören, es muss ganz nah sein. Er sieht an sich hinab: Ein Bein hängt ungesund nur noch am Fleisch zusammen. Etwas tropft ihm auf den Hals. Panisch fasst er sich an den Kopf, an den Hals, ans Ohr. Im Ohrläppchen hängt ein kleiner Splitter. Er beißt auf die Zähne und zieht ihn heraus - "zschhhhh!" der Schmerz ist kurz, aber stark. Er sieht sich um- Um ihn herum nur tote oder fast-tote Kameraden - deformiert, verblutet, zerfetzt. Wenn er Glück hat, merken die Deutschen nicht, dass er noch lebt, wenn er wirklich er einzige ist?! Er schiebt sich an die Grabenwand, lehnt sich an und schließt die Augen. Die Schüsse und das Quietschen hören aber nicht auf. Da wird es plötzlich dunkel über ihm, zeitgleich quietschen Ketten. Nach einigen Sekunden wird es wieder hell - der Haufen Stahl ist vorbei! Jetzt nur noch ausharren! 
Links und rechts ertönen einzelne Schüsse aus dem Graben, die verzweifelte Schreie stoppen zu scheinen. Die einzelnen Schreie und Schüsse kommen näher. Links drängen sich einige grau-schwarze Soldaten mit rotem Armband um die Ecke. Er greift an den Gürtel, zieht seinen Revolver, aber bevor er ihn ausrichten kann, ertönt ein Schuss.

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