Plaisirklettern am Grimsel

 Oder: Wer es nicht im Kopf hat, hat es in den Beinen.

Am Sonntag wachen wir nach guten acht Stunden Schlaf bereits im Hellen in Rosenlaui auf. Nach einer kurzen Fahrt stehen wir allerdings hinter einer Herde Rinder, die bergab getrieben werden. Es wird doch wohl noch nicht der Almabtrieb sein? Dann dürften wir uns auf ein paar Stunden Stau einstellen, für die Fahrt zum Grimselpass, die eigentlich nur 30 Minuten braucht. Laut Eltern müsste die Viehscheid aber erst Mitte oder Ende September sein, so zumindest im Allgäu, woher das Wissen stammt. Und in der Tat: Für die Herde geht es nur auf eine andere Weide. Trotzdem: 20 Minuten langsames Hinterhertuckern.
Nachdem die Herde in eine Seitenstraße abbiegt, können wir endlich mehr als 3km/h auf die Straße bringen.
Zum Glück nicht komplett bis ins Tal unsere Aussicht.

So dauert es dann doch etwa eine Stunde, ehe wir am Parkplatz Chüenzentännli an der Straße zum Grimselpass sind. Dort angekommen, frühstücken wir entspannt und begutachten die Wand. Die ist erstaunlich leer, nur eine Seilschaft ist zu sehen. Irgendwann ist dann auch genug gegessen und wir steigen mit gepackten Rucksäcken zu. Denke ich zumindest, denn am Einstieg sollte sich herausstellen, dass ich meine Kletterschuhe im Auto hab liegen lassen. Also nochmal runter und wieder rauf. Auf dem Weg bergab renne ich irgendwo den falschen Pfad lang und lande in einem Blockfeld, das aber super entspannt über große Blöcke gen Tal führt. Irgendwann muss ich da aber auch wieder raus, also noch kurz ein paar Meter Bushwhacking. Am Auto angekommen schnappe ich mir meine Kletterschuhe und los geht es. Als ich wieder oben bin, sind kaum 25 Minuten vergangen. Wer es eben nicht im Kopf hat, hat es in den Beinen, heißt es doch so schön. Auf dem Weg wird mich allerdings ein Thema beschäftigen, das Programm bleiben wird: meine Verdauung stresst heute. Schon mehrere Male hatte ich heute die
Ich steige die erste Länge der Sagittarius vor, die wir uns für heute ausgesucht haben. Ein kurzer Plattenzug, aber mehr ist die erste Seillänge dann auch nicht wirklich. Isabel darf in Seillänge zwei dann gleich mit 5c+ kalt in den Vorstieg starten. Irgendwann merkt sie: die Züge sind alle direkt am Haken und auch wirklich immer nur vereinzelt schwer, also geht es, einfach mal weiterzuklettern.

Isabel in SL2.

Seillänge drei bietet dann den ersten französischen 6er, über eine vom Gletscher glattgeschliffene Platte ohne Reibung geht es über ein paar Leistchen mit 6a hinweg. Stand ist an einer Art Rücken. Isabel klettert die nächste Länge an, aber aus der Rinne vom Stand weg auf die Platte ist wohl sauschwer. Nach einem kleinen Sturz wechseln wir. Ich schaue mir die Sache auch an und merke: So ist das nicht für 5c zu haben. Also wird ein anderes Geschütz aufgefahren. Mit coolen Moves, die ich hier nicht näher beschreiben will (sonst wird das langweilig für euch) geht es auf der Platte weiter. Alles recht wacklig und technisch in dieser Länge. Wirklich coole Kletterei!

SL4 von oben.

Die nächste Länge steigt Isabel wieder vor, wieder mit 5c+ bewertet, aber irgendwie doch eingängiger als die davor. Die sechste Seillänge bietet das erste Mal einen unteren siebten UIAA-Grad. Der ist - wie sollte es hier am Grimselpass auch anders sein - plattiger Natur. Ich klettere erst einmal daran vorbei, ehe ich sehe, dass ich so nicht an den Haken darauf komme. Also wieder abklettern und am Haken zu einer Schuppe traversieren. Fast drüben, ich greife gerade nach dem Griff, bewege ich mich ungünstig und der Fuß kommt. Doof, unnötig weil eigentlich war ich schon über den schweren Zug hinweg. Am Stand treffen wir zwei Kemptner, die heute um 7 Uhr in der Früh gestartet sind, weil sie noch nach Hause fahren müssen. 
Wegen der folgenden Seillänge sind wir bis hierher geklettert, trotz inzwischen deutlich problematischerer Verdauung (und Zehen). Aber den Riss wollen wir uns nicht entgehen lassen. Also schnell rein da! Traumhafte Handrisskletterei führt in steilere Off-Hands und wenige Züge an Leisten führen in leichteres Gelände. Über eine Verschneidung wird der Stand unter der Crux erreicht. Hier entscheiden wir uns fürs Abseilen, auch wenn die Crux sehr interessant aussieht. 

Isabel im steilen Teil am Ende von SL7

Blick über die Platten am Stand nach SL7. Grimsel eben!

Aber mein Bauch gibt keine Ruhe und ich brauche dringend eine geeignete Stelle. Das Los der chronisch Kranken eben. Im Nu sind wir unten, auch keine Sekunde zu früh. Etwas verärgert, dass ich heute ständig Toilettenpausen benötige, fahren wir Richtung Gadmen, weil ich dort noch weiß, dass es eine schöne Badestelle hat. Kaum sind wir am Wasser, fängt es an zu nieseln. Trotzdem einmal kurz ins frisch vom Gletscher am Sustenpass stammende, eiskalte Wasser. Schön! Kaum aus dem Wasser, wird der Regen stärker. Gerade, als wir umgezogen im Auto sitzen, bricht der Schauer auch schon los. Perfektes Timing für die Heimfahrt!



Facts: Grimselpass, Gelmerfluh, Sagitarius
Länge: 13 Seillängen
Erstbegehung: Brigitte Brehm, Berti von Känel, Küsu Krauss, Tom Schlup, Roland Descloux, Patrick Schmed, Jürgen von Känel 2003
Schwierigkeiten: 6b, 5c+ obligatorisch
Absicherung: Zwischenhaken mal mehr mal weniger eng gebohrt, Stände an Muniringen oder zwei Bohrhaken
Material: 13 Exen
Fazit: Wirklich schöne, für Grimselverhältnisse sehr abwechslungsreiche und wenig plattenfordernde Route. Definitiv ein zweiter Besuch zum Durchkommen in der nächsten Zeit!

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