Gedanken zum aktuellen politischen Geschehen

Ich habe erst vor kurzem einen Beitrag gelesen, in dem die Autorin argumentierte, die derzeitigen Demonstrationen gegen AfD und Konsorten sollten sich nicht als "Demo gegen rechts" sondern als "Demo gegen Rechtsextremismus" bezeichnen. Sonst würde jegliche Haltung zu strikteren Migrationspolitik als "rechts" abgestempelt und so Diskussionsgrundlagen zerstört. Dieser Beitrag leitete mich zu einer Frage weiter: 

Gibt es eigentlicht ein "Rechts" ohne "extrem"?

Um meine spätere Argumentation zu stützen, sollte hier zuallererst auf das Verständnis von politischen Lagern eingegangen werden. Einen großen Einfluss hatte und hat (leider) noch das sogenannte Hufeisen-Theorem, welches ein politisches Spektrum darstellen soll. Aufgebaut ist es wie der namensgebende Gegenstand. Es wird in der Extremismustheorie verwendet und stellt eben keine Horizontale dar, sondern ein Hufeisen mit Endpunkten an beiden Seiten. Diese liegen einander näher, als sie es auf einer Horizontale tun würden, was strukturelle Ähnlichkeiten von Links- und Rechtsextremismus impliziert. Eine weitere, daraus folgende Implikation: nicht der Gegensatz von Rechts zu Links ist entscheidend, sondern die Entfernung zur Mitte und zum demokratischen Verfassungsstaat bzw. der Freiheitlich Demokratische Grundordnung (FDGO), welche die Kernstruktur unseres Staates in Deutschland darstellt. 
Problematisiert wird das Theorem z. B. aufgrund der Implikation einer politischen Mitte, die inzwischen auch von Lagern beider Seiten inklusive der politischen Deutungshoheit für sich beansprucht werden. Weitere Kritikpunkte sind die undifferenzierte Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus.

Bereits im letzten Absatz kam ein weiterer für meine Argumentation wichtiger Punkt auf: Was ist eigentlich Extremismus? Nach dem Hufeisen zählen zum Extremismus Haltungen, die eine Distanz zum demokratischen Verfassungsstaat haben. Also eine Einschränkung oder gar Ablehnung wichtiger Elemente der FDGO, wie im Falle von Rechtsextremismus die Ablehnung von Pluralismus oder der Glaube an geschichtlich gewachsene Ansprüche der eigenen Gruppe.
Wenden wir diese Definition an, so lässt sich sagen:
Jede politische Haltung, die der FDGO widerspricht, ist dem Extremismus zuordnen.
Die Schwierigkeit dieser Definition befindet sich in der Auslegung des Begriffs "Haltung". Wenn ich "nur" denke, Ausländer hätten kein Anrecht auf eine Chance in unserem Land, oder "nur" denke, wir müssten die Zentrale eines Pharmakonzerns anzünden, weil die Patentrechte auf Medikamente nicht dem Heil der Gesellschaft dienen und nur den Konzern bereichern, ist das etwas anderes als auch danach zu handeln.

An dieser Stelle möchte ich jedoch noch eine andere, vielleicht differenziertere Herangehensweise an den Begriff des Extremismus vorstelle, die mir beim Hirnen über das Thema in den Sinn kam.

Was wäre, wenn wir Extremismus als aktive Haltung definieren würden? Als Beispiel: sobald Politik das Grundrecht von Flüchtenden auf Asyl angreift bzw. abschafft. Das ist eine Handlung entgegen des Grundrechts, Artikel 16a (Anerkennung von Asylbegehren bei politisch Verfolgten) und damit entgegen der FDGO. Diese Definition erfüllt damit sogar die bestehende Definition von Extremismus. Somit lässt sich über viele politische Handlungen und somit auch über den Charakter von AfD und Konsorten sagen, sie seien rechtsextrem. 

Das bedeutet jedoch nicht sofort, dass es nur noch rechtsextrem gebe und keine gemäßigte Rechte. Der Unterschied bestünde lediglich in der Auslebung der Überzeugung, der (zumeist politischen) Handlung. 

Für die allgemeine Extremismusdiskussion würde dies, entgegen des Hufeisentheorems, keine Gleichstellung von Links- und Rechtsextremismus mehr bedeuten. Nach einiger Bedenkzeit fällt mir keine gegenüber dem Rechtsextremismus in politischen Parteien vergleichliche politische linksextremistische Haltung ein. Das muss nicht heißen, dass diese nicht vorhanden sein!

Bei Ideen zum Thema: schreibt mir gerne, unter hendrik@radikalvertikal.de!


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