Ölberg - "Siebenschläfer" 6b+

Wer zwei Tage Vollgas im steilen Granit gibt, braucht am dritten Tag eben ein wenig Pause für die pink-offenen Fingerchen. Wer durchgehend Pause für jene sucht, ist allerdings im "Siebenschläfer" falsch, der bietet recht abwechslungsreiche Kletterei inklusive finger(-haut-)fordernden Stellen.
Um 06:30 Uhr geht's für uns am Auto los, die 20 Minuten Zustieg durch dschungelähnliches Gestrüpp mit marginalem Steig gehen schnell um. Genauso schnell die ersten fünf Seillängen, die eigentlich die eigenständige Route "Engeliweg" darstellen, maximal 5b wartet hier auf. David hängt alle zusammen, so ist nach kaum 20min bereits ein Drittel der gesamten Route hinter uns. 

Der "Engeliweg" geht fast komplett handfrei vonstatten.

Nun wird's aber schnell anspruchsvoll, vom Plattenhochschlendern mit Händen in den Hosentaschen auf 6b Reibung gibt's eben doch unterschiede. Ich flieg im Nachstieg leider nach der Crux raus, ärgert mich! 
Die nächste Seillänge mit 6a bietet zuerst Plattenschleichen, dann aber einen Mantle wie aus der Boulderhalle auf eine etwa menschenhohe Stufe. Löst sich super auf! 

Nun geht's aber steil zur Sache, 6b+ in einer steilen, kleingriffigen und recht trittarmen Verschneidung. Ich weiß nicht, ob ich alle Züge frei geklettert bin, glaube allerdings hier einige Male in die Schlingen gegriffen zu haben, rätseln und Probieren und Kämpfen macht mir diese Woche irgendwie keinen Spaß. 

Merke ich auch in der nächsten Seillänge: 6a, eigentlich sowas von drin, aber ich setze doch einige Stürze in den Haken. Der Mantle ist technisch anspruchsvoll, die Wand hier extrahart vom Gletscher poliert und reibungsarm. So artet die Sache etwas zu einem Hau-Ruck aus, für mich zumindest. 

Ruhe vor dem Sturm: vor dem harten Mantle.

David darf an der zweiten Crux wieder ran, ebenso 6b+ aber diesmal flach. Aber reibungsarm flach. 
Für viele Menschen gibt es beim Plattenklettern nur zwei Schwierigkeitsgrade: "geht" oder "geht nicht". Ich möchte an dieser Stelle noch eine Unterscheidung innerhalb des "geht" einführen: Hochlaufen. 
Für uns beide liegt die Schwelle zwischen "geht" und "geht nicht" offensichtlich irgendwo zwischen 6b und 6b+. 

So sieht "unmöglich" für mich aus.

Nun wird's nur noch einmal etwas schwerer, mit 6b an einer seichten Rissspur. Die war etwas klamm, verhauen hab ich's allerdings danach. Zu unfrei mein Kopf und zu wenig Spaß am Tüfteln. Letzten Endes war's dann aber immerhin alles frei in dieser Länge. 

Den Abschluss bilden drei 5c-Längen, die doch noch einmal erstaunlich anspruchsvoll für 5c sind, und schon stehen wir am Top: irgendwo inmitten dieser Riesenplatte, darüber fängt das Gestrüpp an.
In Windeseile sind wir wieder 14 Seillängen weiter unten, gerade rechtzeitig, ehe die Sonne ein "warm" in "unausstehlich heiß"  verwandelt. 

Ölberg - "Siebenschläfer"
Schwierigkeit: 6b+
Länge: ca. 540m
Erstbegehung: Howald, Rüedi 1979
Absicherung: gut eingebohrt 
Fazit: Schleichen der Extraklasse. Wer die 6b+-Platte durchsteigt, kann von sich behaupten, Reibungsklettern zu beherrschen. 

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