Irgendwie zeichent sich da eine Regelmäßigkeit ab, bei meinen Unternehmungen mit Nik. Diesmal waren wir lange am Zweifeln, aufgrund unsicherer Wetterlage und auch etwas verkürztem Zeithorizont meinerseits. Aber da in den vergangenen Jahren kein einziges Mal irgendwas zu dritt mit Lea geklappt hat, war da doch irgendwie mehr Motivation im Spiel, das Ganze möglich zu machen. Aber fangen wir ganz vorne an. Auf meine Nachricht, ich müsse am Mittwoch nur einen halben Tag arbeiten, ruft Nik direkt an und spricht von "guter Puffer" und doch ganz "guten Möglichkeiten". Ich steh erst komplett auf dem Schlauch, aber bald erörtert er: Wir könnten es auf die letzte Bahn am Mittwoch, welche von Grindelwald die Station Eigergletscher anfährt, schaffen.
Ich bin erst mal defensiv, habe noch vor Augen, wie allergiegeschunden ich am Vortag von der Arbeit heimkam und mich generalsanieren musste, ehe an tiefes Luftholen zu denken war. Ungeduscht so mehr oder minder drei Tage zu verbringen und - vor allem: zu schlafen - klingt wenig erquicklich. Aber irgendwo wird sich wohl ein Bach und somit eine Möglichkeit finden, die Pollen und alles loszuwerden und Kleidung zu tauschen.
Also geht's Mittwoch um kurz nach Eins los: im Bach geduscht fühlt sich alles wieder frischer an, auch wenn in den niederen Gefilden doch viel fliegt. In Grindelwald angekommen die Suche nach einem günstigen Parkplatz, welche uns etwas über zwei Kilometer außerhalb führt, aber hey, 70SFR für drei Tage Parken gespart. Irre Preise? Willkommen in Grindelwald, der Hauptstadt der Helikopter, des Tourismus und des Geldes! Nach einer Wanderung vom Parkplatz zur Station "Terminal" (die dem Namen wirklich gerecht wird, ich fühle mich an den Stuttgarter Flughafen erinnert!) und zig Werbetafeln eines Ingolstädter Autoherstellers sowie diverser Luxusuhren später stehen wir am Schalter und zahlen 32SFR jeweils für die 20min schnelle Fahrt von 1100m auf die auf knapp 2400m hoch liegende Station Eigergletscher. Dank Nebel und Wolken zeigt sich der Nordabbruch des Menschenfressers nur halb, und sowieso: Bilder davon gibt's genug. 20min und eine Audiotour in der riesigen 26-Mensch-Umlaufkabine mit Rennsitzen später sind wir oben. Wo wir zwei Leute sehen, die sich vom Rest der Menschen modetechnisch genauso abheben wie wir: könnten andere Besucher*innen direkt vom Laufsteg von Prada, Gucci und Co. stammen, ist bei uns ein wilder Mix von Bergsportmarken vertreten. Es stellt sich schnell heraus, dass wir mit Max und Immi aus Luzern zusammen in der Guggihütte übernachten und am nächsten Tag den Nollen in Angriff nehmen werden.
Der Zustieg zur Hütte ist mit zweieinhalb bis drei Stunden ausgeschrieben, so sind wir doch gut erstaunt trotz der vielen Schnee- respektive nicht haltenden Graupelfelder nach zweieinviertel Stunden bereits an der schön gelegenen Unterkunft ankommen. War im Zustieg das Wetter noch unentschieden mit Nieselregen, öffnet sich jetzt der Himmel und die Aussicht ist genial. Der Ofen ist schnell angeheizt und heizt noch schneller ein. Nach einem guten Abendessen ist schnell alles für den Folgetag gepackt und wir legen uns schlafen, klingelt doch der Wecker um 03:30 Uhr.
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Nik im Zustieg, im Hintergrund die Nordwand des Mönch (4107m), der Nollengletscher rechts am Grat ist sichtbar. |
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Es bricht auf: die Guggihütte auf dem Grat, im Hintergrund die Jungfrau (4158m) |
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Die Jungfrau im Abendlicht. |
Gesagt, getan: 3:30 Uhr und wir geben uns unserem Frühstück hin: gefüllten Weinblättern aus der Dose, Crackern und ein Riegel stellen die ersten Energiereserven für den Tag. Etwas nach vier Uhr starten Nik und ich. Es ist trotz der frühen Uhrzeit und Höhe von 2800m wirklich warm; ich trage nur zwei dünne Schichten!
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der Eiger (3967m) mit seiner Westflanke in der Morgenstimmung |
Wir queren wie auf der Karte und in den Wegbeschreibungen beschrieben von der Hütte, was sich als ungeschickt herausstellt: Max und Immi brechen 10min nach uns auf, stapfen aber über bessere Firnfelder direkt rauf, während wir im Graupel einbrechen und kaum Strecke geschweige denn Höhe machen. Doch es findet sich eine Möglichkeit, in ihre Aufstiegsspur zu kommen, wo der Firn dann doch ganz gut hält. Stapfenderweise gewinnen wir schnell an Höhe, bis wir ans Mönchsplateau auf 3112m stoßen. Dort wird der erste Riegel der Tour verspeist und die Gletscherbrille aufgezogen. Es geht weiter, zum weit über uns auf ca. 3500/3600m hoch liegenden Nordwestbollwerk. Nach einem kürzeren flachen Abschnitt geht das Stapfen in bis zu 50° steilem Firn weiter. Unter dem Nollen schauen wir, dass wir schnell in Richtung unserer ausgeguckten Linie kommen, welche etwas links über eine Rampe nach rechts auf den Gletscher führt. Unterhalb der Seracs fühlt sich keiner von uns wohl, und so geben wir hier Gas. Das geht auch super, ist es hier doch 60 bis 65° steil und super firnig. Noch unsicher, ob wir überhaupt sichern müssen/werden, stellt sich die Frage bald nicht mehr und Immi und ich entscheiden, im Eis Stand zu beziehen und für die blanke Stelle doch das Seil auszupacken. Bis Nik und Max da sind, sind zwei super Stände aufgebaut und die zwei Seile ausgepackt. Nik darf ran und vorsteigen, und blitzschnell ist er. Als das Seil aus ist, warte ich noch damit, ihn aus der Sicherung zu nehmen, ehe ich das Gefühl habe, er hat mich in der Sicherung. Das ist bald der Fall und ich steige flugs zu ihm, er hat nach dem Eis an einem T-Anker Stand bezogen. Oben angekommen, packen wir das Seil schnell ein und fangen schonmal an, den Weiterweg zu spuren, bis Max auch oben ist.
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Max auf dem Weg zum Mönchplateau |
Zuerst noch flach und in Kehren aufwärts, bietet es sich bald an, wieder direkt hochzustapfen. Hier gibt's jetzt auch wirklich durchgehend Firn, ohne Graupeleinlagen und somit auch ohne Einbrecher. Das Ziel scheint in Sicht zu sein, weit kann es nicht mehr sein. So stapfe ich los und peile immer wieder Felsriegel als Zwischenziele an. Irgendwann merke ich dann aber, dass ich absolut nicht akklimatisiert bin und gehe in immer kürzeren Intervallen mit immer längeren Pausen. Ist zu Beginn der Höhenmesser zwischen meinen Blicken immer um 100 bis 200m gestiegen, schaue ich jetzt fast jede 5 bis 10hm auf die Zahl, die nicht höher zu werden scheint. Irgendwann dann entschließe ich mich, einen festen aber langsamen Rhythmus anzuschlagen, mit dem ich stetig an Höhe gewinnen kann. Das klappt dann auch wieder ganz okay, auch wenn ich alles andere als schnell bin.
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Der Weiterweg etwas überhalb des Mönchplateaus, der Nollen ist gut sichtbar, ebenso die Nordwand des Mönch. |
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Nik auf dem Mönchplateau, hinter ihm die Jungfrau (4158m)
| die Eisnase des Nollen. Steil und beeindruckend!
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| steile Stapferei am Nollen, Nik etwas unter mir.
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Irgendwann stößt Immi zu mir und ich übergebe die Spurarbeit an ihn, der heute schon ein Gros gespurt hat. Ab hier legt das Gelände sich bald gut zurück und die Gipfelwechte wird sichtbar. Am hier schwach ausgeprägten Grat angekommen warten wir zwei auf die anderen beiden. Nik kommt auch bald, Max ist aber nicht in Sicht, seine komplette Skihochtouren-Ausrüstung für die Jungfrau scheint sich bemerkbar zu machen. Mit Immi sprechen wir ab, weiterzugehen, da es bald zuziehen soll (und auch direkt tut) und auch die Niederschlagswahrscheinlichkeit soll gut ansteigen. So ziehen wir zum Gipfel weiter, Sicht haben wir aber kaum, also gehen wir fast direkt weiter und beginnen mit dem Abstieg auf dem (im Sommer noch ausgesetzteren) Gipfelgrat. Kaum eine Stunde und viel Sulz später sind wir über den Felsen, welche den Einstieg markieren, und treffen auf einen blockierten Schweizer, der runter möchte aber weder Abseilgerät noch Ahnung von Achterknoten hat, so lassen wir den nun nichtmehr angespannten, sondern beeindruckten Skifahrer ab und seilen unter seinem steten Kamerafokus ab.
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Nik auf den letzten Metern zum Gipfel, ohne wirklich Aussicht zu haben. |
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Am Gipfel oder doch nicht? Das Bild gibt keine Hinweise :) |
Die letzten zehn Höhenmeter zur Hütte ziehen sich und ich merke inzwischen starke Kopfschmerzen. Mit Ankündigung hab ich diesmal also das erste Mal die Höhe gespürt.
Auf der Hütte stoßen wir auf Lea und planen bereits den nächsten Tag. Ich leg' mich ab und versuche, die Kopfschmerzen mit etwas Nachholschlaf wegzuschlafen, was nicht wirklich klappt. Also geht's runter und wir spielen noch eine Runde Catan vor dem Essen. Danach ist dann auch bald heia bei mir angesagt, etwas Schlaf sammeln bis zum Frühstück um 6 Uhr.
Am Freitag nach dem Frühstück klettert uns eine wirklich gut akklimatisierte Lea auf dem Normalweg bei bester Panoramasicht voraus und wir erreichen den Gipfel nach knapp über 1,5 Stunden. Oben ist es so warm, dass diesmal eine kurze Gipfelrast drin ist, ehe wir uns wieder nach unten begeben und nach knapp unter drei Stunden wieder an der Hütte sind.
Hier noch ein paar lose zusammengewürfelte Bilder vom Normalweg an Tag 2
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Der zweite Hausberg der Mönchsjochhütte, der Trugberg (3932m) mit seinem Nordwestgrat im Morgenlicht.
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Nik und Lea am Einstieg zum Normalweg, im Hintergrund die Mönchsjochhütte. |
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Auf dem Gipfelgrat. |
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Gipfelfoto! |
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Lea im Abstieg am Gipfelgrat, im Hintergrund über ihr die Fiescher- und Grünhörner, wiederum dahinter das Finsteraarhorn (4274m).
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Im Abstieg, der gut ausgetretene Normalweg am Grat entlang gut erkennbar, genauso die präparierte Piste vom Jungfraujoch zur Hütte. Im Hintergrund ist ein Teil des Konkordiaplatzes und Aletschgletschers zu erkennen, sowie rechts davon das Aletschhorn (4194m).
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Fazit:
Nollen: D-, ca. 60°, unter Umständen steiler. Bei (mehr) Blankeis wird's schnell schwieriger. Felskontakt nur im Abstieg auf dem Normalweg. Von der Guggihütte ca. 1200hm zum Gipfel, 1,5h Abstieg zur Mönchsjochhütte.
Normalweg: AD- (derzeit definiv einfacher, viel Schnee/Firn), kurze Stellen II, ausgesetzter Firngrat zum Gipfel. Zehn Minuten Zustieg von der Mönchsjochhütte und entspannt in unter drei Stunden retour machbar.
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