Hohe Berge und tiefe Täler: Rückblick 2022
Oder: der Philosoph in der Sinnkrise
Wenn ich mir jetzt so im Nachhinein mein Jahr 2022 insgesamt anschaue, bin ich doch irgendwie erstaunt, was alles so ging. Nach den letzten beiden Volle-Röhre-Corona-Jahren, die irgendwie keine große Spur im Kopf hinterlassen haben, wird das dieses Jahr ein klein wenig anders.
Berge
2022 lief bergtechnisch ähnlich gut an wie die Autofenter eines Kleinwagens nach einer Übernachtung darin. Der Januar lieferte mit einem Dutzend Tagen im Steileis wie 2020 erneut die Erkenntnis: mag ich, mach ich! Hier konnte ich gut Erfahrung sammeln, auf die ich diesen Winter definitiv zurückgreifen möchte (joa, wart's ab) und nette Sachen klettern. Weiter ging's dann im Juli, mit einem Trip ins Rätikon. Mit 1100 Klettermetern an zwei Tagen war das auch gut erfolgreich, auch wenn meine Wunschtouren leider nicht dabei waren. Genial, dass mir die plattige Kletterei gut reinlief, nach der langen Pause. Weiter dann im August mit zwei Tagen am Grimselpass in der Zentralschweiz. Ein Granitmeer über dem Meer des Grimselstausees. Und wer meinen Blog ein klein wenig verfolgt (Tipp: RSS-Feed oder per Google-Konto abonnieren, geht im Menü ;)) wird nun merken, dass im September meine Blogeinträge beginnen. September und Oktober hab' ich mir nämlich mehr oder minder konsequent freigeschaufelt und konnte so einige nette Sachen reißen. Ein entspannter Urlaub in Finale, komplett gegensätzlich dazu direkt das nächste Wochenende eine Schnapsidee; in 48 Stunden ins Aostatal, auf den Gran Paradiso und wieder nach Freiburg. Ein Wochenende im Blaueis in Berchtesgaden mit speziellen Herausforderungen, gefolgt von einem ultraspontanen Fotoausflog in die Mieminger Kette. Ein paar Tage später über das Schweizer Jura ins Orcotal, zum Riss- und Tradklettern, für eine Woche entspannte Atmosphäre mit schönen Linien. Und zu guter letzt, ein paar Tage Ende Oktober im T-Shirt auf 2200m Sonnenbaden im Schüsselkar. Zwei doch ganz volle Monate, die allerdings alle mit (sehr netten!) Alternativzielen nicht gaaanz ursprünglich so auf meiner Liste standen.
Und da dann auch die Sommersaison zuende geht, ein paarmal Sportklettern in der näheren Umgebung.
Täler
Was obligatorisch zwischen zwei Bergen (so auch in diesem Post) kommt: ein Tal (oder zumindest eine Scharte, Hendrik). In dem Kontext häufig ohne Vorwarnung mit ganz ekelhaftem Abstieg. Von solchen Tälern gab es 2022 für mich nicht nur eines, aber eines, das bereits im Abschnitt zu den Bergen recht offensichtlich war: zweieinhalb Monate Klinikaufenthalt von März bis Mai, mit entsprechender Vorgeschichte (spätestens) ab Ende Januar. Knapp war's nicht nur einmal, aber: ich schreibe hier.
Diese Täler hatte ich schon früher, so richtig aufgefallen isses mir aber eben erst letzten Herbst. Witzigerweise war bis letzten Herbst eins der Zeichen, dass ich mich auf einem ekelhaften Abstieg befand: mein Musikgeschmack. Fand ich Folk und Acoustic immer super schön, waren plötzlich irgendwelche komischen Melancholien und Leere damit verknüpft. Und wenn ich lang und/oder tief genug drin steckte, ging das Hörverhalten auch eher in Richtung depri-Musik.
Dieses Jahr verdanke ich meinen Tälern daher ein Spotify-Wrapped, in dem ich mir meine Top 25 (von 100) kaum anhören kann, weil ich z.B. super blöde Situationen damit verbinde. Danke auch!
Berg: Zukunft
Ursprünglich stand hier:
"Uuuund weil nach einem Tal auch wieder 'was höheres kommen darf: wie geht's weiter? Die erste Woche 2023 in Finale. Und dann? Weiß ich nicht, hoffentlich viel Eis! Außerdem gibt's noch 'nen geplanten Klinikaufenthalt im Frühjahr. Der zerschießt mir zwar terminlich einige Pläne, ist aber bitternötig, damit in Zukunft noch einige Berge auf der Liste stehen und auch kommen können."
Naja. Ich habe einige der letzten Zeilen in einer Klinik verfasst. Dort war ich wieder von 22.12. bis zum 30. Diagnostisch und allgemein sah das ganze diesmal etwas gewinnbringender aus, bis es das halt nichtmehr tat. Mein ursprünglicher Plan mit Finale is damit jetzt erstmal Geschichte. Schade, denn wert war's das wirklich nicht. Und die Sache mit dem Eis sieht dank der Bedingungen auch nicht nicht ganz so versprechend aus. Aber was ich im kommenden Jahr aufs Neue versuchen muss, ist stabil zu werden. Mal sehen, ob ich meine Story hier schriftlich aufbereitet bekomme. Da sind die zukünftigen Bergpläne erstmal im Hintergrund.
Leider. Um poetisch zu werden: die Zukunft beginnt eben jetzt. Mein nächster Berg wird also sein, in ein geregelteres Auf-und-Ab zu kommen und das dann vielleicht irgendwann auch wieder genießen zu können. Und für die nächsten realen Berge gibt's genug Ideen. Unabhängig davon, wann sie denn kommen. Hoffentlich bald.
Alles dazwischen
Okay, lassen wir das diplomatische Rumformulieren und -formatieren. Etwas freier:
2022 war für mich wieder mal so ein Jahr, das ich in nicht-ganz-so-enthusiastisch-oder-motivierten Phasen wirklich beschissen nennen würde.
Aber es gab halt auch die Momente, die mich irgendwie dabei gehalten haben. Die auch wirklich von Nöten waren. Da das fast ausschließlich Momente mit anderen Menschen waren, möchte ich mich bei all denen, die für diese Momente (mit-)verantwortlich sind und waren, wirklich bedanken: Viele von euch wissen, dass sie gemeint sind. Das waren wirklich gute Zeiten und (ohne dramatisch werden zu wollen:) ihr habt damit mehr getan, als ihr euch (häufig auch ich mir) eventuell dachtet. Danke!
Denn auch wenn Bergsport nach außen hin nicht nach Teamsport aussieht: es gibt viele Gründe, weshalb (unter anderem) der Begriff der Seilschaft in den (einigen) entsprechenden Zeiten ideologisch missbraucht wurde. Es geht eben zusammen rauf und runter (diesmal ausnahmsweise nicht ausschließlich metaphorisch).
Und noch ein wenig loser ein paar andere Erkenntnisse und ähnliches aus diesem Jahr:
- Ich hab 'rausgefunden, dass ich wohl doch ein bisschen audiophil bin. Zumindest mein Musikkonsum und Anspruch an Soundqualität sind gut angestiegen.
- A≠A (A=Vinyl).
- Die Bahn verdient gut an einem Hendrik, der versucht glücklich zu sein.
- Ich schaffe es wohl, immer dann wenn ich weniger arbeiten sollte viel zu viel zu arbeiten und umgekehrt, wenn ich mehr arbeiten sollte nicht zu arbeiten. Musste auch erstmal schaffen.
- Ich hab Kälte wohl doch mehr gern als Wärme, zumindest fand ich Finale in der Hochsaison (okay, ja, selbst schuld. Ich weiß) unausstehlich heiß, bei negativen 15°C ging's aber doch ganz gut.
- Keine Ahnung, wer sich alles meine komisch formulierten Erlebnisse und Gedanken hier antut, aber mir macht's irgendwie Spaß und ich werde versuchen, das Projekt hier weiter zu verfolgen.
- ich mag Storytelling wohl. Sonst wäre ich nicht hier gesessen (andere Zeitform, der Blogeintrag ist ja schon geschrieben :)). Mal sehen, vllt geht es da ja weiter. Wer weiß?!
In diesem Sinne: macht's alle gut! Wir sehen uns irgendwann im, hoffentlich-nicht-so-beschissenen-wie-2022, nächsten Jahr 2023 in den Bergen! Bis dahin einen guten Rutsch (schlechte Rutsche wie beim Blitzeis diesen Dezember bitte vermeiden!) und bleibt positiv (außer vielleicht beim Corona- oder Influenzatest)!
Peace out!
Hendrik
Kommentare
Kommentar veröffentlichen