Schüsselkarspitze (2552m) - "Bayrischer Traum", VIII-
Oder: die Möglichkeit einer Türe
Vor etwa einem Jahr hat sich Felix auf ein Inserat nach Tourenpartner*innen meinerseits auf Facebook gemeldet und seitdem haben wir irgendwie immer wieder versucht, 'was auf die Beine zu stellen. Mit einer recht guten Wettervorhersage für die Wetterstein-Südseite wurde es jetzt Ende Oktober doch noch was. Da Lukas auch noch Gleitzeit hat, wird es einen fliegenden Übergang geben und so ist für einige Tage Alpinklettern gesorgt.
Da sich unser Wetterfenster leider doch immer weiter nach hinten verschiebt, bleibt uns nur noch ein ganzer Tag zu zweit. Den wollen wir direkt gehörig nutzen, als Ziel steht schnell der "Bayrische Traum" fest - eine Route, bei der es in der Crux spannend werden würde für mich. Aber eins nach dem Anderen.
Am Donnerstagmorgen treffen wir uns am Parkplatz und werfen den gierigen Parkautomaten unser Kleingeld ein. Beim Packen fährt dann ein Bus neben uns auf den Parkplatz, es sind zufälligerweise Bekannte von Felix. Die wollen den Güllich-Riss klettern, die "Locker vom Hocker". Wie klein die Welt doch hier im Herbst ist !
Mit einem (bzw. anderthalb) viel zu schweren Rucksack starten wir übers Gaistal in Richtung der Wände. Die Sonne kommt inzwischen auch ganz leicht über die Hügel im Osten und jeden Meter eröffnet sich uns ein noch schönerer Ausblick in eine andere Richtung. Irgendwann dann tauchen auch die Wände auf. Zum Glück ist der komplette Zustieg aber noch im Schatten, sonst wäre es auch jetzt noch eine Schinderei in der Hitze.
Schnell einen Biwakplatz gesucht und gefunden, Wasser aufgefüllt (dank nichtmehr hier oben grasendem Vieh auch mit gutem Gewissen den Innereien gegenüber) und wir starten gen Einstieg. Auf dem Weg sehen wir noch die Bekannten von Felix in der ersten Seillänge der "Locker vom Hocker", ein wirklich geiles Teil!
An der in der Literatur und Netz beschriebenen Stelle mit Gedenktafel und kaminartiger Verschneidung klettert Felix los. Nach 60 Metern dann die Erkenntnis: das ist nicht die erste, 35 Meter lange Seillänge des "Bayrischen Traums"! Auch ein Versuch weiter links und ein dritter weiter rechts enden genauso ernüchternd. Also gehen wir die Wand weiter ab auf der Suche nach einer weiteren Stelle mit kaminartiger Verschneidung und Tafel. Finden aber keine. Nach nunmehr drei bis vier Stunden Suche stapfen wir entmotiviert wieder Richtung Scharnitzjoch mit dem Plan, stattdessen in die "Wolke 7" einzusteigen, als ich die Piazschuppe der fünften Seillänge sehe und die Linie nach unten zum Einstieg nachverfolge. Nach kurzem Bereden steht fest: wir steigen ein und schauen, wie weit wir kommen.
Die erste Seillänge (die Verschneidung ist zwar kaminartig, aber nicht so krass wie die bei den ersten Versuchen und eine Gedenktafel befindet sich nicht am Einstieg) bietet direkt eine schöne Plattenstelle im VII. Grad, Felix steigt souverän vor und bei mir klappt's auch.
Die zweite Länge ist ein Intermezzo, im IVer-Gelände geht's ungesichert nach rechts, hoch und wieder leicht nach links.
Die dritte Länge führt vom Stand hoch auf eine Platte, auf der nach links traversiert wird und um eine Kante 'rum. Ein kurzer Blick nach links verrät, meine kommende Seillänge wird ein Tanz, in kompaktestem rauen Kalk führt eine Hakenreihe nach links.
In der vierten Seillänge, VII, kommt es wie vermutet: rein in den Tanzmodus, im Fels mag ich das auch. Direkt zu Beginn darf ich kleine Leisten in komische Richtungen belasten und mich so nach links weiterarbeiten. Schön technisch! Dann tendiert die Linie aufwärts, einer Untergriffschuppe entgegen. Ab hier erfordern die einzelnen weiten Züge Commitment. Am Schlüsselzug klappt das mit dem Commitment auch ganz gut, aber ich bin mit dem Griff so weit seitlich meines Schwerpunkts nicht zufrieden, weil mir die Tür aufgehen würde und versuche es etwas näher, aber da ist halt kein Griff mehr und ich mache 'nen Abgang. Imposant glatte Stelle, die sich entgegen des ersten Eindrucks doch gut auflöst (und es im zweiten Go dann auch tut)!
In Seillänge fünf geht es für Felix dann an die Piazschuppe. Die will aber erstmal vom Stand angeklettert werden, denn der Quergang ist nicht so offentsichtlich und so darf, vor der Presserei auch noch ein wenig gerätselt werden. An der Schuppe angekommen, turnt er elegant hoch, trotz des Runouts an und nach der Crux aufgrund des nur einfach vorhandenen 4er-Cams. Ich habe am Stand leider vergessen, meinen zweiten Schuh wieder zuzuschnüren und merke das leider erst an der Crux, an der ich mich kurz reinsetze und danach dann auch präzise den Anpressdruck auf die glatten Tritte erhöhen kann.
In Seillänge fünf sehe ich im Vorstieg dann irgendwann keinen Haken mehr und vermute, mich verklettert zu haben (was ich allerdings nicht habe) und seile mich ab. Felix steigt dann vor und findet den Weiterweg. Am Stand vor der Cruxlänge merken wir aber, dass es dann doch schon gut spät ist und seilen ab. Im Dunkeln geht's mit schöner Lichtstimmung im Westen zum Biwakplatz, wo wir auch direkt nach dem Essen müde im Schlafsack einnicken.
Schüsselkarspitze, Bayrischer Traum
Schwierigkeit: VIII- maximal, viel im VII. Grad
Absicherung: E1-2, Piazschuppe E3+ clean
Erstbegehung: Josef Heinl, Albert Gilgenrainer 10.08.1980
Fazit: Leider sind wir vor der Cruxlänge abgeseilt, aber die Längen bis dort sind allesamt klasse! Abwechslungsreiche Seillängen sorgen dafür, dass keine Langeweile aufkommt. Nächstes Mal dann mit Rotpunktambitionen in den unteren Längen, eventuell ja auch der Crux?!
Topo: keines, weil ich die obersten drei Längen nicht kenne :)
Kommentare
Kommentar veröffentlichen