Rissklettern im Valle del Orco, Tag 5: Sergent pt. II: Locatelli und 0,5x Nautilus
Der letzte komplette Tag im "Valle" ist schneller da als erwartet und so auch die Frage: was klettern? Ursprünglich der Plan, die "Diedro Nanchez" am Caporal, aber die ist anscheinend lange nass. So vermutlich auch jetzt. Nach ein wenig Umplanung entscheiden wir uns, zurück zum Sergent zu gehen und dort die "Nautilus", 6a, zu klettern. Als absoluter Klassiker beschrieben, sollte sie trotz der moderaten Schwierigkeiten einen würdigen Abschluss darstellen können.
Aber, wie das nunmal häufiger mit Klassikern so ist, sind wir am Einstieg nicht die ersten. Auch nicht die zweiten. Und, wie es leider auch häufig der Fall ist, sind die langsamsten Seilschaften die, die am frühesten einsteigen. So sehen wir den zwei Nachsteigern der Seilschaft zu, wie sie sich die ersten zehn Meter bereits abmühen und planen dann, ultraspontan, auf die komplette "Locatelli", 6a+, um. Die soll nämlich vom Ambiente auch ganz nett sein, mit einem schmalen Durchschlupf.An deren Einstieg sind wir tatsächlich alleine und so starten Leon und Flo in die erste Länge, kurz darauf Cora und ich. Im Nachstieg dieses zweiten Versuchs fliege ich bei den ersten Moves ein paarmal fast raus und stelle mich richtig an. Naja, so lernt es sich wohl gut dazu. Heißt es zumindest immer. Meine Seillänge, Nummer zwei, ist nur ein kurzes Intermezzo, angeblich 5a. Zwei kurze, steilere Aufschwünge unterbrechen fast horizontales Gehgelände zum nächsten Stand. Immerhin darf ich an deren Ende, welches wir taktisch nach dem Band direkt am Start der nächsten Seillänge legen, einen Stand selbst bauen. Bomber 0,4er und 0,5er verankern uns auf dem breiten Band. Die dritte Seillänge (6a) schaut steil und schön aus, Cora legt los, sobald Flo nichtmehr über dem Einstieg klettert und in der Traverse verschwunden ist. Wir haben uns abgesprochen, die dritte und vierte Seillänge (wie die erste und eigentlich zweite) Länge zusammenzuhängen, weil sie sonst recht kurz wären. Zumindest rät Leon das Flo und er uns. Cora macht kurzen Prozess mit dem Aufschwung und verschwindet in die Traverse. Bald darf ich nachkommen, die 6a klettert sich wunderbar. Ausnahmsweise mal (fast) ohne Jams. Aber ich bekomme trotzdem ein bis zwei unter. Die Traverse führt in einem immer enger werdenden, flach liegenden Kamin (keine Angst, Kaminklettern muss mensch hier nicht!) nach links oben. Bald sehe ich auch den Durchschlupf.
der Durchschlupf: Licht am Ende des Tunnels? |
Und der sieht in der Tat klein und schmal aus. Ich fange an, mich reinzupressen und merke, dass ich davor mein EH-Set und Chalkbag von hinten zur Seite umordnen muss. Gesagt, getan. Jetzt einfach nur nach oben arbeiten. Ich höre, wie mein Material am Fels kratzt (das Display der Kamera hat jetzt ein bis zwei Kratzer mehr...). Coole Stelle, direkt drüber ist der wartet Cora lachend am Stand. Die vierte Seillänge, wieder meine, ist wieder nur ein (diesmal sehr) kurzes Intermezzo. Vom Stand geht es kurz ausgesetzt nach rechts um die Kante auf ein riesiges Band. Dort kann ich dann ein paar Meter zum nächsten Stand laufen.
Von diesem bequemen Stand führt die letzte und mit 6a+ auf einer Platte schwierigste und trickreichste Länge zum Top. Mir rutscht leider mein Tape vom Finger, als ich eine kleine Leiste halte und fliege so im Nachstieg, schade! Denn die eingeleitete Sequenz war richtig. Trotzdem eine richtig schöne Länge zum Abschluss mit (zumindest bei unserer Begehung) den einzigen zwei gebohrten Zwischenhaken. Die abschließende Traverse am Riss entlang nach links ist nochmal richtig schön, flowig, etwas ausgesetzt. Mit ein paar Abseilern geht's runter, Leon und ich richten ab dem großen Band vor der Kaminlänge eine Abseillänge für Cora und Flo ein, die noch mit dem Abziehen eines Seils kämpfen. Und das auch noch für eine Weile tun werden, ehe sie doch nochmal rauf müssen und den Knoten hinter einer Schuppe lösen. Leon und ich liegen derweil in der prallen Sonne und genießen die Lichtstimmung. Nach einiger Zeit kommen auch die beiden Seilrettenden und ruhen mit aus. Ich bin noch motiviert, die "Nautilus" zu klettern und kann Flo und Cora auch so halb überzeugen. Beide sind zuerst nicht so sehr motiviert vorzusteigen, aber das macht in dem Moment nichts, ich bin kopftechnisch voll motiviert und kann auch alles vorsteigen.
xIn der ersten Seillänge merke ich, dass 5c doch schon gut hart sein kann, aber komme im Flow recht zügig durch. Schöne steile Kletterei an Schuppen und Rissen! Die zweite Länge führt zuerst etwas im Zickzack durch Blockgelände, ehe sie in einer perfekten 90-Grad-Verschneidung mit 5a bewertet zum nächsten Stand zieht. Dort staune ich nicht schlecht, die rechte Variante ab hier durch ein sich nach links biegendes Dach sieht echt hart für 5c aus, Untergriffe und (scheinbar) schlechte Tritte bis zum Ende. Aber wir sind hauptsächlich der linken Variante wegen da: einem Kamin!
*grins* |
von oben |
Vom Stand geht's fünf Meter nach links über eine glatte Platte in den Kamin, der außen eine unangenehme Breite hat. Der Übergang Platte-Kamin ist kurz etwas unangenehm, aber mit der richtigen Lösung geht das dann doch besser von der Hand. Ab jetzt ist Schrubben angesagt, ungesichert. Zumindest für mich. Taugt mir auch gut. Nach 15 Metern bekomme ich einen Friend außerhalb unter und traversiere zum Stand über dem Quergang der rechten Variante. Wie wir merken, ein kleiner Verhauer (obwohl das Topo genau das zeigt!): Aus der Textbeschreibung im Führer geht hervor: eigentlich wäre der Kamin weit in dessen Innern zu klettern gewesen, wo ein paar Normalhaken die Kletterei absichern sollen und er eine angenehme Breite haben soll. Dass meine Variante etwas schwerer als 4c war, haben wir aber gemerkt, wenn auch nicht viel. Kamin halt. Geklettert muss er halt werden, stürzen ist nicht. Aber das geht ja in 'nem Kamin auch nicht wirklich.
Nach einer vierten, komischen (vermutlich von uns etwas reingekünstelten) Länge sind wir am Band in der Mitte angekommen. Bei den beiden anderen scheint die Motivation nachgelassen zu haben und ich frage, ob wir nicht lieber abseilen sollen, was von hier aus mit einem Manöver super von Hand gehen würde. Nach kurzem Überlegen in der Gruppe stellen wir fest, die Motivation ist tatsächlich nichtmehr wirklich da, zudem zieht Nebel das Tal hoch; wir seilen ab. Beim Abseilen können wir noch die "Elisir d'Incastro" (6b+), einem wirklichen Rissklassiker, begutatchten. Beim nächsten Besuch dann!
Meine Hände (und nach dem Kamin auch Ellbogen und Knie) sind froh, fertig zu sein und wir steigen ab. Trotz Abbruch ein gelungener Tag, die Nautilus läuft dafür nächstes Mal noch schneller!
Sergent, Locatelli
Schwierigkeit: 6a+ in der letzten Seillänge, sonst ein bis zwei Stellen 6a
Absicherung: E3 bzw. RS1+. Stände gebohrt, Rest lässt sich sehr gut absichern mit dem in der Führerliteratur angegebenen Material. Letzte Seillänge in der Platte mit zwei Bohrhaken abgesichert.
Erstbegehung: F. Locatelli, V. Duregon
Fazit: Schöne Risskletterei, mit interessanten Stellen zwischendurch. Nicht sehr ausgesetzt, aber das Ambiente (Durchschlupf) ist trotzdem schön! Bei Stau in der "Nautilus" lohnendes Alternativprogramm!
Sergent, Nautilus
Schwierigkeit: 6a maximal, viel 5b und 5c
Absicherung: im unteren Teil E3 bzw. R1+
Erstbegehung: Andrea Giorda, Roberto Perucca und Mario Ogliengo 1982
Fazit: Der untere Teil bis zum Band bietet schöne, recht steile Kletterei. Der Kamin in Seillänge drei ist für Schwab(inn)en (Freunde der Schrubberei) sehr zu empfehlen, ansonsten schaut die bogenförmige Verschneidungsvariante auch super aus. Das nächste Mal dann auch den oberen Teil, eventuell an die "Elisir d'Incastro" angehängt?!
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