Rissklettern im Valle del Orco, Tag 3: Dado und Sitting Bull

 Das Coverfoto des Riss-Auswahlführers für's Valle del Orco ist mit einem Splitter, "Sitting Bull", geziert, wie mensch ihn selten sieht. Nach schneller Recherche stellt sich raus, der ist für 7a zu haben und Leon plant bereits einen Onsightversuch. Ich hoffe, wenigstens im Toprope mal auszutesten und ein paar nette andere Linien zu klettern.

Wir starten den Tag aber im Sektor "Dado", dort gibt es zwei mit 5c bewertete Risse. Da die erste Länge von "Cochise", eben eine solche 5c, belegt ist, warten Flo und ich und schauen Cora und Leon in der "Apogeo" zu. Ein schöner Riss, aber nicht trivial. 

Cora in der "Apogeo"

Merke ich zumindest, nachdem ich mich wiederholt ein wenig unter meiner letzten Sicherung wiederfinde. Wann ich das letzte mal eine 5c nicht auf Anhieb klettern konnte, weiß ich nicht, aber lang ist es auf jeden Fall her. Dafür, dass das Sturztraining nicht geplant war, war es aber doch sehr effektiv. Von diesem Dämpfer etwas mitgenommen, ist meine Motivation für die anderen Linien zuerst nicht wirklich da. 

Daher sichere ich Flo zuerst in der "Mr. Green", einem 6a-Kamin. Was mich freut, denn Flo ist bis vor ein paar Monaten Kamine noch in einem weiten Bogen aus dem Weg gegangen. Kommt aber gut durch, auch durch den etwas trickreicheren Ausstieg. So gab es für jede*n in diesem Urlaub bereits persönliche Highlights.  

ein gleichförmigerer und geometrischerer Kamin lässt sich wohl schwer finden. Links des Pfeilers führt die Legittima Visione (8b+) durch eine glatte Verschneidung

Ich steige nach, um zu cleanen und bereue, nicht vorgestiegen zu sein. Schöne Kaminbreite und der direkte Ausstieg, mit 6b bewertet, schaut auch noch lecker aus. Nächstes Mal!

In der Mitte des Sektors gibt es eine Linie, die mich bereits im Führer anmachte. So davorstehend ist klar: Ich muss da rein! Und zwar direkt im Vorstieg mit selbstlegen! Besonders nachdem ich bei Leon sehe, wie schön und gut die Kletterei ist. Die "Bianca Parete", 6b+, führt zuerst in einem, sich von Handriss zu etwas zu breitem Faustriss, verbreiterndem Riss diagonal von links unten nach rechts oben, bevor in auf einer echt glatten Platte eine Untergrifftraverse angegangen wird. Der Rest ist, bis auf eine wacklige Stelle, fast nur Formsache, aber nicht minder schön. Die Handklemmer in der ersten Hälfte des Risses sind aber so gut, ich erfreue mich jetzt noch daran! 

Leon in der zweiten Hälfte der "Bianca Parete"

Mir reicht es knapp nicht für den Flash, am Ende des Diagonalrisses bin ich von der komischen, für mich ungünstigen Rissbreite und der doch bereits abgetretenen Platte überfordert und rutsche so in meinen 4er-Cam. Der Rest gestaltet sich dann aber technisch einfacher und die eigentliche Traverse ist, Vertrauen in die Füße vorausgesetzt, nichtmal anstrengend. Nach etwas Pause bin ich extrem motiviert, einen Rotpunktversuch zu starten. Erstaunt, wie früh die komische Rissbreite doch anfängt und gleichzeitig die Tritte rar und schlecht werden, komme ich doch irgendwie durch. Die wacklige Stelle in der Mitte macht mir noch kurz Probleme, ich kippe aufgrund falsch klemmender Füße fast aus dem Riss, bekomme diese aber doch umsortiert und klettere zum Top. Rotpunkt! Schwerer bin ich selbst mit Bolts nur einmal sturzfrei geklettert. Die Motivation, nach über zwei Jahren wieder richtig zu trainieren, ploppt auf und steigt ins Unermessliche. 
Da ich mir für den Urlaub auch vorgenommen habe, irgendetwas zu klettern, was an der Crux nicht (gut) absicherbar ist, sehe ich mir noch die "Stanage Train", 6c, von unten an. Aber nachdem Leon die lieber im Toprope versucht und die ersten fünf Meter am härtesten und schlechtesten absicherbar mit lang anhaltendem großen Grounderpotenzial aussehen, lasse ich es lieber bleiben. 

Schon etwas fertig, gehen wir in den Sektor links von Dado, "Sitting Bull". Wobei 'gehen' stark untertrieben ist, denn die Definition von Pfad oder Weg ist im Italienischen eine ganz andere. Vor allem mit dem ganzen, dort bereits in Hülle und Fülle vertretenen, Herbstlaub ist der richtige Weg nicht einfach zu finden.
Vor Ort findet sich auch die namensgebende Linie des Sektors, die auf dem Cover des Führers abgebildet ist. Imposant sieht sie aus! Leon hält an seinem Onsightplan fest und wir rätseln von unten um die Beta für den Überhang. Ich gehe während Leons Onsight (hat er auch durchgezogen, krassen Respekt hierfür!) mit Cora zur "Geometrica", einer neun Meter hohen 6a. Die ist wirklich nicht geschenkt, ich muss mich für 6a richtig anstrengen. Der Riss hat, von den ersten zwei guten Handrissmetern abgesehen, durchgehend eine blöde Zwischenbreite zwischen Hand und Faust, die mir wirklich nicht liegt. Trotzdem klappt's onsight. Die Schlappe in der "Apogeo" von heute morgen verschwindet daher zum Glück fast ganz aus meinem Gedächtnis. 

Zum Ende versuche ich noch die "Sitting Bull" im Toprope, bin aber schon viel zu müde und fertig und schaffe es so ganz knapp nicht über die Schlüsselstelle. Flo cruist zum zweiten Mal im Toprope durch und holt unser Material aus dem Riss, inklusive eines 0,75er Cam, der nicht von uns stammt. Auf gutem Steig geht es zurück zum Campingplatz und gen Essen und Zelt. 

Valle del Orco, Sektoren "Dado" und "Sitting Bull"
Fazit: Viele Möglichkeiten von 6b aufwärts. Für mich wird es definitiv einen nächsten Versuch geben, die vielen 6b's und 6c's wollen geklettert werden!  

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