Ehrwalder Sonnenspitze (2417m) - Südgrat V-

Nach dem kurzen, stilistischen Ausflug des letzten Eintrags wird's hier wieder 'normal'.
Das eigentliche Ziel meines Besuchs, welches ich bereits seit einigen Jahren hege, ist die Ehrwalder Sonnenspitze. Vom namensgebenden Ort aus gesehen ragt sie in prominenter Form auf. Im Kletterführer für die Region ist, neben ein paar interessanten Routen in der Westwand, der Südgrat aufgeführt. Eine logische Linie entlang einer mal mehr, mal weniger scharfen Schneide und über imposante Aufschwünge.
die Sonnenspitze von Südosten, der markante Grat ist der Südgrat. Unten ist der senkrechte Aufschwung, Beginn und Schlüsselstelle, zu sehen

Nach einem entspannten Frühstück geht es los in Richtung Biberwierer Scharte. Direkt an deren höchsten Punkt zieht ein Grasrücken nach Norden, einem steilen Felsaufschwung entgegen.

Letztgenannter stellt die erste Seillänge des Grats und zugleich, mit V- bewertet, auch die schwerste dar. Zuerst geht es entlang einer Verschneidung nach oben auf ein Grasband, das nach links gequert wird, bis eine Reihe an griffigen Schuppen nach oben zieht. Der erste Meter vom Band weg hängt leicht über, ist aber super griffig und löst sich, wie die wenigen Wolken am Morgen des Vortages, gut auf.

griffige Schuppen in der ersten Seillänge

Ab hier ist erst einmal für mehrere hundert Meter Gehgelände angesagt, ich wechsle auf meine Zustiegsschuhe. Das Schrofengelände mit teils abschüssigem und feuchten Gras ist mit Kletterschuhen unangenehm zu gehen. Mit mächtig Tiefblick nach links in die bis zu 600m hohe Westwand geht es also wortwörtlich weiter.

der weitere Gratverlauf, nach links bricht die bis zu 600m hohe Westwand ab

Der nächste Aufschwung folgt und bietet eine Seillänge IV+ und eine Seillänge IV. Über kompaktesten Fels geht es in Rinnen und leichten Platten aufwärts. Nach den zwei Seillängen flacht das Gelände wieder stark ab und es geht, immer leicht rechts des Grats haltend (einige BH stecken wohl zur Orientierung hier), zum nächsten Aufschwung. Der schaut von weitem schon echt imposant aus und ich frage mich, wo es da im vierten Grad hochgehen soll. 

wirkt abweisend, aber der dritte Aufschwung klettert sich ganz gut

Nachdem ein kleiner Turm auch auf der rechten Seite umgangen wird, erschließt sich, dass in der darauffolgenden Scharte eine kurze Rinne ca. fünf Meter abgestiegen wird, dort befindet sich auch der Stand. Einiges flacher als direkt an der Gratkante ist es hier, aber geschenkt ist diese Länge für IV+ auf keinen Fall. Vom Stand weg geht es auf glatter Platte nach oben, zu Beginn mit kaum Struktur. Ich beginne, schaue mir die Stelle an, klettere ab, plane meine Züge, mache die Musik leiser und ziehe die geplanten Bewegungen durch. Da sich hier nur wenige Griffe finden, die zugeschraubt werden können für mehr Sicherheit, gilt es hier, alles Vertrauen in die Füße zu setzen und die Sequenz sauber zu planen und auszuführen. Die Stelle ist aber im Nu geschafft und es geht weiter.

kompaktester Fels in den Aufschwüngen

Angebliches IIer-Gelände (eher leichter) führt zu einem letzten, mit IV bewerteten Aufschwung, ehe mensch mit dem (von rechts dazustoßenden) Normalweg gemeinsam die letzten Schrofenmeter auf den höheren Südgipfel bestreitet. 

Blick vom Südgipfel aufs Gipfelkreuz

Über einen kurzen Grat geht es zum Gipfelkreuz mit Bänken, an dem bereits ein Bergkamerad paust und jaust. Nach einer langen Unterhaltung über mögliche Ziele in der näheren Umgebung steige ich über den Südsteig (Normalweg) wieder Richtung Hütte ab, er über den Nordoststeig. Der Südsteig ist gut mit Steinmännli und roten Zeichen markiert, aber mit etwas Gespür braucht's diese Markierungen nicht unbedingt. In recht häufiger Kraxelei bis II+ (kam mir anteilsmäßig fast mehr als am Grat vor) geht es gut steil bergab, wo der Weg ins Schuttkar südlich der Sonnenspitze führt und aus diesem wieder auf den Wanderweg. 

Abstieg über den Südsteig. zu sehen ist der Drachensee, rechts davon der Hausberg der Coburger Hütte, der Drachenkopf. Hinter dem befindet sich die Hütte

An der Hütte esse ich erst einmal ein paar Nüsse und Riegel, bevor ich einen kleinen Erkundungsspaziergang zum Klettergarten an der Hütte mache. Allerdings muss dort zum Abstieg abgeseilt werden, ein bisschen Klettern ist für mich also nicht drin.

Da das bereits auch der letzte Tag auf der Hütte war, geht es am Nachmittag noch schnell auf den Drachenkopf (2302m) , den Hausberg der Hütte. Schöne Wanderung, oben am Grat allerdings ziemlich schuttig-bröselig. 

Abends dann gibt es als Abendessen die wohl beste Polenta, die ich je gegessen habe - Polenta-Trauma aus der Klinik überwunden! Auch wenns zum Frühstück und Mittag wegen Gluten nix für mich gab, das Abendessen konnte auf voller Linie überzeugen.

Ehrwalder Sonnenspitze - Südgrat
Länge: ca. 600m
Schwierigkeit: V-, auch obligatorisch
Absicherung: E1-2 Stände an Bohrhaken mit Ketten und Karabinern, Zwischenbohrhaken sind vorhanden.
Erstbegehung: ?
Fazit: schöne Route, leider mit sehr viel Schrofengelände. Die Aufschwünge sind jedoch im besten Fels zu klettern. 


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