Madrisa - Yetirutsche

Bereits bei der Anfahrt zum Skigebiet Gargellen sticht eine Linie an der Madrisa besonders ins Auge: eine große Rinne, die auf der einen Seite vom Nordostgrat begrenzt wird, auf der anderen Seite von einigen weniger auffälligen Pfeilern und anderen Felsformationen. Auf der Suche nach einer vielleicht logischen Linie sind Jakob und ich eingestiegen. Was rauskam? Ein logischer Anstieg in der Tat, nur Kletterei hat es wahrlich nicht viel. Falls irgendwer Informationen hat, ob hier schon "geklettert" oder gar abgefahren wurde, meldet euch! Nicht, dass ich hier völlig zu Unrecht eine Erstbegehung draus mache...

Der untere Rinnenteil bis zum Beginn der Kletterei aus dem Zustieg fotografiert.

Unser erster Versuch circa sechs Wochen zuvor endete nach zwei Seillängen an einem hinterlassenen Normalhakenstand, die Schneebedingungen schienen uns zu schlecht, um uns weiter zeitraubend im steilen Grieselschnee hochzuwühlen. Also geht's sechs Wochen später wieder dorthin.

Mit angepasster Taktik sollte es diesmal klappen, bis zum Ausstieg zu gelangen. Wir steigen wieder mit Skiern zu, nur diesmal sparen wir uns die letzten 150 Höhenmeter auf Skiern und deponieren unser Material bei den zwei zentralen Blöcken im Schneefeld unterhalb. Darüber ist ein Lawinenkegel, der sich halbwegs gut zu Fuß begehen lassen und uns so die etlichen, nach oben hin immer ineffizienteren Spitzkehren ersparen sollte. Und so ist es auch, mal mehr mal weniger einbrechend gelangen wir zum Einstieg in die eigentliche Rinne, bei einem Felsen. Die Lawine, die hier abging, ist nicht mehr als 15m breit und die Abrisskante etwa einen Meter hoch, sie sieht aus, als wäre ein Yeti hier runtergerutscht. Der Name für diese Aktion steht also schon einmal.

Stapfen zum Einstieg. Foto: Jakob.

Von diesem Felsen sind nochmals ca. 150m im rund 45° steilen Gelände zurückzulegen, ehe eine Art Bergschrund passiert wird. Hier ist Vorsicht geboten, der Fels auf beiden Seiten ist nicht der solideste und der Schrund ist auch einige Meter tief. Bei unserem zweiten Versuch jetzt ist er aber gefüllt und somit besser passierbar. Danach wird am besten auf der rechten Seite an Cam und Keilen Stand bezogen, die erste Seillänge steht bevor. Für diese gibt es mehrere Varianten, begangen sind wir folgende:

  1. Beim ersten Versuch kletterte Jakob über eine kurze Verschneidung am rechten Rand empor zu einem Dach, bei dem dann bis zur linken Wand gequert wird. Hier besteht die Möglichkeit zu einem schlechten Zwischenstand. Unter Umständen muss ein Teil des Quergangs nach links freigewühlt werden.
  2. Bei unserem jetztigen zweiten Versuch klettere ich am linken Rand durch eine Verschneidung empor, um direkt auf das Band zum Block mit Zwischenstandmöglichkeit zu kommen. Die Meter bis zum Fels hin sind aber auch hier pure Wählerei, viel Energie geht hier in kinetische Energei des Wühlschnees verloren.
Jakob am Stand unterhalb der rechten Variante.

Jakob in der rechten Variante.

Der nicht ganz ideale Zwischenstand am Block. Foto: Jakob.

Die linke Einstiegsvariante. Foto: Jakob.

Beide Varianten sollten schwierigkeitstechnisch vergleichbar sein, ca. M3+. Ab dem Block führen beide Varianten dann gleich zum nächsten Stand: Über die Rampe an der linken Wand, Platten mit Schnee überzogen nach oben (Absicherung mit Knifeblades und/oder Peckern teilweise möglich), bis in die Rinne nach rechts gequert werden kann. Die Hauptrinne weiter hinauf, ehe waagrecht zum eingerichteten Stand an zwei KBs mit blauer Schlinge gequert werden kann. Vorsicht, auch hier wieder schneebedeckte Platten, hier allerdings steiler und mit etwas mehr Exposition! Der Stand lässt sich gut ergänzen. Wenn vom unteren Stand aus geklettert wurde, reizt die Seillänge 60m aus. 

Der hinterlassene Stand.

Bei besseren Schnee- oder Eisverhältnissen könnte es sich eventuell anbieten, diesen ersten Aufschwung an den Platten in der Mitte zu überwinden und direkt rauf in eine Verschneidung zu klettern und so direkt in der Rinne zu enden. 

Der weitere Verlauf ist klar, es gilt der Rinne weiter zu folgen. Diese bildet hier eine Art "Y", dessen rechten oberen Arm wir anpeilen. Der linke Arm zeigt in Richtung NO-Grat, ein Felsenfenster ist auf circa einem Drittel Höhe zu sehen. 

Nach 60m in 45-50° Schnee besteht die Möglichkeit, vor dem Abzweig rechts im Fels einen weiteren Stand zu beziehen. 

Nun weiter den rechten Arm des "Y" in ca. 50° Schnee hinauf, Stand an zwei hinterlassenen Haken und Cams. Hier haben wir versucht, links eine der steilen Verschneidungen anzuklettern, jedoch ist der Fels hier entweder sehr kompakt oder doch sehr lose, weshalb diese interessanten Längen leider nicht ganz ideal waren. 

Der zweite hinterlassene Stand. Foto: Jakob.

Die vorletzte Länge führt vom Stand nach rechts an einen Pfeiler, auf den eine flache Verschneidung folgt. Oberhalb im Schneefeld 55° Schnee bis zu Block auf linker Seite, Stand an Cams. 30m M2-3.


Schaut wesentlich cooler aus, als es ist. Wer nicht mehr klettern mag, bleibt auf dem Schneefeld nach rechts. Wer klettern mag, steigt auf den hier wenig sichtbaren Pfeiler, über dem eine Verschneidung weiterführt. Foto: Jakob.

Besagter Pfeiler. Foto: Jakob.

Die letzte Länge führt in ca. 20m zum Grat zu einem Köpflstand.

Von hier aus ergeben sich zwei Möglichkeiten für das weitere Verfahren: 

  1. Über die letzten Seillängen des Nordostgrats (bis IV+) auf den Gipfel und den Normalweg absteigen
  2. Über die Route abseilen und absteigen, die nötigen Stände sind hinterlassen.
Ich habe bereits den ganzen Tag Mühe, den steilen Schnee hinaufzukommen, selbst zehn Minuten harte Arbeit bringen selten mehr als einen Meter Fortschritt. Jakob hingegen kommt mit seinen 47er Schuhen häufig Stellen einfach hinaufgestapft, durch die ich mich langwierig irgendwie fräsen und wühlen muss. Am vorletzten Stand wird mir aus heiterem Himmel übel, am letzten Stand werde ich dann mein gesamtes Essen des Tages los: Besser abseilen als über den Gipfel weiter.
Auf der Abfahrt dürfen wir wieder unser gesamtes Material durch steilen Bruchharsch bringen, was dem Abenteuer noch den letzten Touch gibt.
Alles in allem eine witzige Aktion, beim nächsten Mal vielleicht etwas mehr Fels und Eis bei der Neulandsuche. 

Facts: Madrisa - Nordostrinne/Yetirutsche

Schwierigkeit: M3+
Charakter: logische Linie durch die Rinne, stößt vor der Gipfelwand auf den Nordostgrat. Nur die untere Felsstufe ist obligat, die obere kann rechts durch Schneefelder umgangen werden. Viel Schneewühlerei.
Absicherung: vier hinterlassene NH als Standhaken, mobil oder mit Haken ergänzbar. Nicht immer gut möglich, Felsqualität teilweise bescheiden.
Material: je ein Pecker pro Größe, Knifeblades, mittlerer Lost Arrow. ein Rack Cams und Keile. Für den Notfall mehr Normalhaken. 60m Halbseile.
Verhältnisse: bei gesetztem Schnee und sehr sicheren Lawinenverhältnissen!


Topo zur Route.


Grober Routenverlauf.

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